Werkzeugmechaniker Serkan Toprak in einem wegweisenden Austauschprojekt.
Lebenserfahrung und Expertise – All in One. Unser ehemaliger Auszubildender unterstützt unseren türkischen Gruppenpartner beim Aufbau der eigenen Werkzeugbauabteilung.
Mühltal. Çerkezköy. Creglingen. 2015 kaufte die Wirthwein AG 70 Prozent der Anteile an der Farel Plastik A. Ş. in der Türkei. Seit November 2015 arbeitet Serkan Toprak in der türkischen Firma nahe Istanbul und unterstützt durch seine türkischen Sprachkenntnisse tatkräftig die Neugestaltung des Werkzeugbaus.
Welche Tätigkeit üben Sie aktuell bei Farel aus?
Aktuell bin ich bei Farel als Teamleiter im Werkzeugbau tätig. Wir sind ein Team von rund zehn Personen. Ich koordiniere die Wartungs- und Instandhaltungsaufträge der Spritzgusswerkzeuge. Zugleich betreue ich die Neugestaltung des Werkzeugbaus und jegliche Art von Vorbereitungsarbeiten. Die Ausbildung des Teams und die Bedienung der Zerspanungsmaschinen gehören ebenso zu meinen täglichen Arbeiten.
Welchen Beruf haben Sie erlernt? Haben Sie sich danach weitergebildet?
2002 schloss ich meine Mittlere Reife ab und begann anschließend bei der Firma Wirthwein Medical meine dreijährige Ausbildung zum Werkzeugmechaniker. Nach meiner Ausbildung wurde ich bei der Firma Wirthwein Medical als Werkzeugmechaniker übernommen. Ich habe im Werkzeugbau verschiedene Positionen durchlaufen, bis ich als Stellvertreter unseren Abteilungsleiter Gregor Grüdl unterstützen durfte. 2012 habe ich an der Abendschule bei der IHK Darmstadt eine Weiterbildung als Industriemeister in Fachrichtung Metall begonnen und im Januar 2015 abgeschlossen.
Teamkollegen des Werkzeugbaus bei Farel, von links: Werkzeugmechaniker Bilal Bekçi, Teamleiter Serkan Toprak und Engin Bebek, verantwortlicher Facharbeiter für CNC und EDM.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, diesen Berufsweg einzuschlagen?
Ich wollte etwas erlernen, womit wir tagtäglich in Berührung kommen und was uns immer im Alltag begleitet. Kunststoff steckt überall drin: Sei es im Auto, im Flugzeug, im Haushalt, in Spielzeugen oder in elektronischen Geräten. Außerdem bin ich an technischen Sachen interessiert und habe mich vorher gut über den Beruf Werkzeugmechaniker informiert.
Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf / Ihrer Tätigkeit besonders?
Werkzeugmechaniker ist ein sehr schwieriger und zeitraubender Beruf. Man muss mit technischen Zeichnungen umgehen können und sehr feinfühlig sein, um die „tausendstel Millimeter‘“ zu fühlen. Aber das Beste an meinem Beruf ist, zu sehen, wie das Werkzeug, das man selbst gebaut hat funktioniert und zur Produktion beiträgt.
Das Lustigste an meinem Beruf ist, dass sich meine Familie und mein Freundeskreis fast nichts darunter vorstellen können. Jeder denkt als erstes, dass ich Handwerkzeuge wie Hammer oder Zangen anfertige. Man muss beim Erklären des Berufs weit ausholen und am besten zeigt man den Personen Dinge aus dem Haushalt oder im Auto, damit sie es besser verstehen können und auch etwas Greifbares in der Hand haben.
Am Wochenende unternimmt Serkan Toprak viele Ausflüge, um das Heimatland seiner Eltern zu erkunden – und um sich von einer stressigen 50-60-Stunden-Woche zu erholen. Hier im Bild bei der Besichtigung der antiken „Selimiye Moschee“' in Edirne.
Möchten Sie uns etwas zu Ihrem privaten Umfeld verraten? Z. B. Familie, Kinder, Hobbies, Interessen?
Ich bin 30 Jahre alt, in Deutschland geboren und mit deutsch-türkischen Kulturen aufgewachsen. Meine Familie lebt in Deutschland, wobei wir auch Verwandte in der Türkei haben.
Ich habe zwei Kinder, die in Deutschland leben. Es ist sehr schwierig für mich, hier in der Türkei ohne meine Kinder zu sein. Ich war bisher nur in der Türkei im Urlaub, um Verwandte zu besuchen und die Zeit am Meer zu genießen. Ich mache gerne Sport wie Fußball, Schwimmen und mag aktive Sportarten wie z. B. Paragliding. Zum Entspannen und um meinen Kopf nach stressigen Tagen frei zu bekommen, mache ich Musik und spiele Saz (türkische Gitarre).
Wie kam es, dass Sie in die Türkei gegangen sind?
Ich wurde von Thomas Dörfler darauf angesprochen, dass die Wirthwein AG plant, in der Türkei in ein Unternehmen einzusteigen und ob ich mir vorstellen könnte, dort zu arbeiten, um den Werkzeugbau mitaufzubauen. Nach ein paar Gesprächen mit Vorstand Marcus Wirthwein und Telefonkonferenzen mit der Türkei wurde es dann wirklich ernst.
Wie wurden Sie von ihren neuen Arbeitskollegen aufgenommen?
Ich wurde sehr freundlich begrüßt, die Arbeiter des Werkzeugbauteams haben sogar ein Willkommens-Grillfest für mich organisiert, das hat mir sehr gefallen. Die Türken sind sehr gastfreundlich in dieser Hinsicht. Natürlich lernt man neue Menschen kennen und es konnten schon kleine Freundschaften geschlossen werden.
Teamleiterschulung mit Geburtstagsüberraschung für die Kollegin, von links: Coach Ilhan Özdiller, Serkan Toprak – Teamleiter Werkzeugbau, Faruk Demirtas – Teamleiter Konstruktion, Onur Yilirim – Teamleiter Lackiererei, Vildan Ilkyaz – Leitung Personalabteilung und Geburtstagskind, Senol Sayar – Teamleitung Planung und Verkauf, Kivanc Kilicel – Leitung IT, Emre Yildirim – Rechnungswesen und Cem Eyüpoğlu – Leitung Einkauf.
Können Sie uns Ihren Alltag und das Leben in der Türkei beschreiben?
Mein Alltag ist nicht so interessant, da die Arbeitszeiten hier in der Türkei sehr hoch sind. Ich arbeite täglich elf Stunden, dadurch wird meine Freizeit beeinflusst.
Nach der Arbeit treffe ich mich normalerweise mit ein paar Kollegen, um gemeinsam essen zu gehen und den Tag mit „Cay“ (türkischem Schwarztee), türkischem Kaffee und mit verschiedenen Karten- oder Brettspielen in einer geselligen Runde ausklingen lassen. Wenn noch Zeit bleibt, versuche ich so viel wie möglich, die Umgebung zu erkunden. Es gibt sehr schöne Ecken hier, wie beispielsweise den ruhigen Hafen, an denen ich den Stress vergessen kann.
Hat der Islam Auswirkungen auf das Leben bzw. den Arbeitsalltag? Sind Sie Moslem, Christ oder etwas anderes? Spielt Religion in Ihrem Leben (k)eine Rolle?
Der Islam hat keine große Auswirkung im Arbeitsalltag. Es gibt natürlich Menschen, die zu bestimmten Zeiten beten und freitags in der Regel in die Moschee gehen. Das ist für die Menschen hier etwas ganz Normales, genau wie es in Deutschland normal ist, sonntags in die Kirche zu gehen. Ich bin Moslem, aber die Religion spielt für mich keine große Rolle. Ich habe zwar einen Glauben, gehe aber nicht in die Moschee oder bete regelmäßig. Ich bin der Meinung, dass jeder an das glauben sollte was für Ihn selbst wichtig ist.
Serkan Toprak beim Paragliding in Fetihe vom Berg „BABADAĞ“ aus 1700 m Höhe.
Wie war es am Anfang für Sie in der Türkei zu leben? Wie ist es jetzt (Wie lange sind Sie schon in der Türkei?)? Wie lange werden Sie voraussichtlich noch bleiben?
Ich bin seit November 2015 in der Türkei. Ich habe mich zwar gut eingewöhnt aber am Anfang war es schwer für mich, meine Kinder nicht zu sehen. Zum Glück gibt es ja heutzutage Skype und andere Medien die es ermöglichen, trotz der weiten Distanz miteinander in Kontakt zu bleiben. Ich habe natürlich auch den Vorteil, dass ich Verwandte in Istanbul habe, die ich an den Wochenenden meistens besuche.
Voraussichtlich bin ich noch bis März 2017 hier, wobei es sich natürlich auch noch verlängern oder bei besonderen Fällen (z. B. politische Änderungen oder Terroranschläge etc.) auch verkürzen kann. Man kann nie wissen, was das Leben einem bringt…
Könnten Sie einige Unterschiede zwischen dem Leben in Deutschland und dem Leben in der Türkei nennen und beschreiben?
Das Leben in Deutschland kommt einem so systematisch vor. Die Menschen haben mehr Freizeit. In der Türkei dagegen ist das Leben abends auf der Straße viel hektischer und lebendiger. Egal ob Alt oder Jung, Groß oder Klein – alle sind auf der Straße und verbringen die Zeit bis spät in die Nacht zusammen. Die Geschäfte haben meistens bis 22:00 Uhr geöffnet und die Cafés bis spät in die Nacht. Es gibt sehr viele Cafés und Bars in der Türkei. Der „Çaygarten“ (Teegarten) ist Kult und immer voll besucht.
Welche Tipps würden Sie einem Deutschen geben, der darüber nachdenkt, in die Türkei auszuwandern?
Wenn man wirklich darüber nachdenkt in die Türkei auszuwandern, sollte man sich über Dinge wie Rechte und Pflichten, Sozialversicherungszweige und Schulen sowie Kinderbetreuung in der Türkei informieren. Es würde sich anbieten, eine längere Reise, als nur den Urlaub, in die Türkei zu planen.
Man sollte sich auch im Klaren darüber sein, dass die Arbeitswelt in der Türkei natürlich ganz anders aussieht als in Deutschland. Es ist stressiger, man hat weniger Freizeit und weniger Urlaub.
Trotz allem gibt es hier sehr schöne Gebiete zum Erkunden.
Eine abschließende Frage zur aktuellen politischen Diskussion der Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei: Merken Sie etwas von der Flüchtlingskrise?
Ja, von der Flüchtlingskrise merkt man hier allerdings etwas! Hier gibt es sehr viele Flüchtlinge, die am Straßenrand warten bis ein Auto an einer roten Ampel anhält. Das Traurige ist, dass sie dann die kleinen Kinder zu den Autos schicken, damit sie nach Geld fragen. Es macht mich sehr betroffen, all diese armen Menschen zu sehen.